Aus dem Buch "Lebendige Sprachinseln"
KANALTAL / VALCANALE -
Deutschsprachige Gemeinschaft in der Provinz Udine
Das Kanaltal-Valcanale bildet einen Sonderfall im Bereich der deutschen Sprachinseln Italiens. Es handelt sich eigentlich mehr um eine sprachlich-kulturelle Halbinsel, da sie an Österreich grenzt (abgesehen von Slowenien) und – nach der Definition einiger italienischer Wissenschaftler – eine wahre »Verlängerung« Kärntens ist. Seit Jahrhunderten ist das Tal in historischer Hinsicht vor allem an Österreich und Deutschland gebunden. Zu Italien kam es erst 1919 im Anschluss an den Friedensvertrag von Saint-Germain en Laye.
Das zwischen den Karnischen und Julischen Alpen gelegene Kanaltal erstreckt sich ca. 25 km lang von der österreichisch-italienischen Grenze in Ost-Westrichtung: von Thörl-Goggau bei Tarvis bis zur alten Grenze von Pontafel-Pontebba, wie die alten Meilensteine bezeugen, die nach dem Erdbeben von 1976 geborgen wurden.
Von Tarvis führen außerdem zwei weitere Seitentäler weg, beide in Richtung der Grenze zum heutigen Slowenien (früher Jugoslawien): Fusine / Weissenfels, Ratece bzw. Cave / Raibl – Predil-Pass.
Kanaltal-Valcanale: Blick von Tarvis bis Pontebba
Das Kanaltal, das an der Wasserscheide von Camporosso-Saifnitz-Zabnice (in römischer Zeit Statio Bilachiensis) eine Höhe von 810 m erreicht, war für die in beiden Richtungen durchziehenden Volksstämme (von den Illyrern-Paläovenetern, Kelten, Römern zu den Langobarden, Bajuwaren, Awaren und Slawen, einschließlich der Wenden von der Lausitz) stets einer der leichtesten Übergänge der Ostalpen.
Die ersten aus Osten und Nordosten hier eingelangten Stämme ließen sich in der Gegend zwischen der Donau, der Sau- und Ostalpen nieder, von wo aus sie sich in der Folge strahlenförmig ausbreiteten. Sie mussten sich um 1000 v. Chr. den Illyrern und Paläovenetern (indoeuropäisches Volk) unterwerfen, die ihre Wanderzüge aus dem Osten im Becken des oberen Adriaraumes abschlossen und zum Teil auch in Kärnten sesshaft wurden. Ihre Kultur, die nach der Stadt Atteste/Este benannt ist, fällt mit der frühen Periode der Eisenzeit (Hallstatt) zusammen. Um 400 v. Chr. kamen von Nordwesten die Kelten, die sich in die Stämme unterteilten: Noriker, Taurier und Karnier. Sie ließen sich zur Zeit der La-Tène-Kultur im Karn, in Kärnten und in Krain nieder.
Dass die Paläoveneter auch in Kärnten, zu dem das Kanaltal bis 1919 geschichtlich gehörte, siedelten, bezeugt eine Steintafel mit paläovenetischer Inschrift, die der deutsche Historiker Viertler auf dem Findenig/Thörl beim Findenigkofel (Monte Lodin), 2021 m, einem Berg zwischen dem Gailtal und der Senke von Paularo, entdeckte.
Die römische Zeit ergab in volklicher Hinsicht wegen der zahlenmäßig geringen Größe der römischen Eroberer keine Änderungen am lokalen Bestand. Die im 6.–7. Jh. erfolgte Besiedlung Kärntens durch die Windischen, die aus dem Nordosten Europas stammten, brachte keine großen Unterschiede zur keltischen Kultur mit sich.
Dank dieser geografischen Situation und der Entwicklung der historischen Ereignisse, wobei verschiedene Völker abwechselnd die Vorherrschaft hatten und allmählich einzel- ne Siedlungen entstanden, wurde das Kanaltal zu einer Wiege der Kulturen, vor allem der deutsch-österreichisch-kärntnerischen. Man denke bloß an die Geschehnisse des letzten Jahrtausends, in dem das Kanaltal (bis Pontafel) bereits 1007 unter die weltliche Macht Bambergs und die geistliche Gewalt des Patriarchats von Aquileia kam, von dem es 1759 von Kaiserin Maria Theresia von Öster- reich erworben wurde.
Diese langen Perioden waren nicht nur der Entwicklung von Wirtschaft und Handel förderlich, sondern wirkten sich zweifellos auch auf die Kultur aus, was sich noch heute in gewisser Hinsicht zeigt.
Die Angliederung des Kanaltals an Italien führte zu einer ersten Welle italienischer und friaulischer Zuwanderer und in der Folge zu einer unvermeidlichen, langsamen volklichsprachlichen Wandlung. Laut der letzten Volkszählung unter Österreich im Jahr 1910 ergab sich: nur 10 ansässige Italiener gegenüber 6397 Einwohnern deutscher und 1682 slowenisch-windischer Sprache.
Der Anschluss des Kanaltales an Italien brachte eine unvermeidbare aber langsame ethno-linguistische Veränderung mit sich, die auch mit einer Migration der italienischen und friulanischen Bevölkerung verbunden war. Die neue politisch-administrative, kulturelle und auch religiöse Situation setzte die Identität der deutschen Komponente aufs Spiel, da sie einer allmählichen Integrierung und Assimilierung ausgesetzt war. Dies machte sicher in Verbindung mit einer zunehmend schwierigen Wirtschaftslage des Großteils der Bevölkerung die sogenannte »Option« akzeptabler, auf die Hitler und Mussolini im Anschluss an das Abkommen von Berlin vom 23.6.1939 (Gesetz vom 21.8.1939, Nr. 1241) für die Minderheiten Südtirols, der Provinz Belluno und des Kanaltals drängten. Von 8139 Optanten für die deutsche Staatsbürgerschaft wanderten fast 70% in das Nachbarland Österreich, damals »Ostmark«, aus. Diese Abwanderung dezimierte die bodenständigen Bewohner des Kanaltals stark (es blieben nicht einmal 3000 zurück) und führte zu einer zweiten Immigrationswelle aus Friaul (Karnier), auch aus den Tälern des Natisone und dem übrigen Italien, vor allem aus dem Süden, sowie den Isonzotälern (Flüchtlinge aus dem früheren Jugoslawien Titos).
Vor der administrativen Umordnung durch die Zusammenschlüsse von Gemeinden im Jahr 1928 lagen offiziell 10 sogenannte Katastralgemeinden vor, und zwar: Tarvis (Tarvisio), Greuth (Rutte Piccolo), Raibl (Cave del Predil), Weissenfels (Fusine), Saifnitz (Campo- rosso), Wolfsbach (Valbruna), Uggowitz (Ugovizza), Malborgeth (Malborghetto), Leopolds- kirchen (S. Leopoldo), Pontafel (Pontebba).
Seit damals gliedert sich das Valcanale in drei Gemeinden: Tarvis mit Greuth, Kaltwasser, Raibl, Weissenfels, Saifnitz und Goggau (Coccau), Malborgeth mit Wolfsbach, Uggowitz, St. Kathrein, Bad Lusnitz und Pontafel (Pontebba) mit Leopoldskirchen. Zum 20.10.2001 zählt die Gesamtbevölkerung des Kanaltals 7862 Einwohner: 5071 in der Gemeinde Tarvis, 1028 in der Gemeinde Malborgeth– Valbruna und 1763 in der Gemeinde Pontebba – was einen deutlichen Rückgang gegenüber der Vergangenheit bedeutet. Die nächsten Daten des ISTAT (Statistisches Zentralamt) werden sicher keine Tendenzumkehr zeigen, vor allem wegen des Inkrafttretens des Vertrags von Schengen, der durch Aufhebung der Grenze zu Österreich die Versetzung zahlreicher Zoll-, Finanz- und Polzeibeamter, Spediteure usw. bewirkte, außerdem wegen einer niedrigen Geburtenrate. Der Bevölkerungsrückgang zeigt sich unvermeidlich in der Schule. In den 6 Kindergärten des Kanaltals (ohne Pontebba) betrug die Gesamtzahl der Kinder im Schuljahr 2002/03 137, während in den 5 Volksschulen (ebenfalls ohne Pontebba) 248 Schüler aufschienen (früher über 300).
Im Kanaltal halten sich in einem relativ beschränkten Gebiet vier verschiedene Volks- und Sprachgruppen auf, die eng miteinander verflochten sind. Neben der bodenständigen Bevölkerung mit deutsch-windischer und slowenischer Sprache leben hier Einwohner mit friaulischer Sprache und als Mehrheit die Italiener, von denen allein im Gebiet von Tarvis ca. 1000 aus Süditalien stammen.
Die Bevölkerungsgruppe kärntnerisch-deutschen Ursprungs, die Windisch spricht (»ein Gemengsel von theutsch und crainerisch«, wie es vor ca. 3 Jahrhunderten einer der berühmtesten Schriftsteller von Kranj, Johann Weikhart Freiherr von Valvasor nannte), stellt insgesamt 15–20% der derzeit wohnhaften Bevölkerung, natürlich mit unterschiedlicher Aufteilung auf die einzelnen Ortschaften des Kanaltals.
Kanaltal-Valcanale: Kanaltaler Tracht
Es ist darauf hinzuweisen, dass alle Originalurkunden, die noch in den Ämtern der Forstverwaltung von Tarvis, des Grundbuchs von Pontebba, des Grundbuchs von Gorizia (Görz) und des Stadtamtes (Ufficio degli Usi Civici) von Triest verwahrt sind, so wie jene, die in den »Nachbarschaften« der genannten Katastralgemeinden des Tales vorliegen, in deutscher Sprache abgefasst und zum Großteil in Fraktur geschrieben sind. Deutsch war im gesamten Kanaltal die offizielle Sprache, an den Schulen auch Bildungssprache bis 1923/24 (Gentile-Reform), dann erneut von 1939/40 bis 1945 (deutsche Sprachkurse für Kinder von Optanten im Anschluss an die Option von 1939).
Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm das Interesse an der deutschen Sprache langsam wieder zu. Damit verbunden waren stärkere Forderungen (Petitionen usw.) nach Wiedereinführung des Deutschunterrichts für die Kinder der nicht ausgewanderten Optanten (vor allem aus emotionalen Gründen der bodenständigen Bevölkerung), später – vor allem aus gewerblichen Gründen, z.B. wegen des Handels an der Grenze zu Österreich– auch für die anderen Schulkinder.
Bezeichnend ist die weitere Entwicklung des Deutschunterrichts an den Volksschulen (wenngleich er bis zu den Achtzigerjahren prekär ist, als Freifach-Unterricht am Nachmittag); in der Mittelschul-Unterstufe und Oberstufe von Tarvis wird Deutsch mehr und mehr als Fremdsprache neben Englisch unterrichtet.
Kehren wir zur Volksschule zurück, wo die deutsche Sprache um die Neunzigerjahre in den Lehrplan aufgenommen wurde: 3 Wochenstunden im zweiten Zyklus und 1-2 Wochenstunden im ersten Zyklus, unterrichtet von lokalen muttersprachlichen Lehrern, von denen einige leider fast bis zur Pensionierung keine feste Lehrstelle hatten.
In dieser Zeit gelang es, dank der damaligen Volksschuldirektorin Dr. A. Contessi und des Deutschlehrers Giovanni Kravina in Zusammenarbeit mit den Klassenlehrern und der Schulbehörde von Villach, wie auch den Lehrern Dengg (Khevenhüller Schule) und Smolak (Landskron), einen didaktischen Informationsaustausch und erste offizielle Schulpartnerschaften zwischen einigen Volksschulen des Kanaltals und Villachs bzw. Arnoldsteins einzuleiten. Es war ein Ansporn zum Erlernen der deutschen Sprache bzw. auf der anderen Seite eine Motivation zum Italienischlernen und auch eine schulisch-kulturelle Erschließung über Grenzen hinaus. Die Vorhaben waren zweifellos erwähnenswert und nicht zu unterschätzen, wie aus einer kurzen Zusammenfassung der Tagungsberichte »Attimi fuggenti«, Tarcento, 30.11.1991 (hg. von A. Ksenija Jelen) hervorgeht.
In den Volksschulen des Schulbezirks Tarvis wird Deutsch im Rahmen der lokalen Einrichtungen seit dem Schuljahr 1945/46 als Sonderfach unterrichtet; ursprünglich war es ein Nachmittags-Freifach, doch wird es seit 1979/80 nach wiederholten Anfragen der El tern als Schulversuch am Vormittag unterrichtet. Vor einigen Jahren wurde der Deutschunterricht allmählich auch in die Lehrmodule aufgenommen: nach wie vor als zusätzliche Stunde (eine Stunde im 1. Zyklus, zwei Wochenstunden im 2. Zyklus, dann bis zu 3 Wochenstunden). Seit dem Schuljahr 1989/90 erfolgen im Einvernehmen mit den Lokal- und Landesschulbehörden und dank der Zusammenarbeit mit dem Inspektorat des Schulbezirks Villach/Kärnten wechselseitige Lehrbesuche der Volksschulen von Tarvis Capoluogo, Tarvis Centrale, Camporosso, Ugovizza, Cave, Fusine und einiger Volksschulen von Villach Zentrum, Landskron und St. Martin.
Durch diese Begegnungen sollen unter den Schulkindern die Kenntnisse der anderen Kultur gefördert und Freundschaft und Zusammenarbeit über Grenzen hinweg gepflegt werden, wobei die Lehrer gemeinsam die entsprechenden Lehrbesuche planen.
Bereits durchgeführte Tätigkeit:
Diese gegenseitigen Besuche erfolgten in den Schuljahren 1989/90 und 1990/91. Sie förderten die Kenntnisse der Kinder nicht nur durch vorbereitete oder improvisierte Sprachübungen, sondern auch durch verschiedene Spiele (Bewegung, Wettbewerb etc.) und handwerkliche Betätigung (Zeichnen, Malen und Ausschneiden). Durch Musik und gemeinsame Tänze und Gesänge, durch ein Hin-und-Her zwischen den Sprachen wurde bei allen Kindern ein Höchstmaß an Übereinstimmung, Verständnis und Motivation erreicht. Großen Anklang fanden außerdem einige interessante Kurzausflüge, die als Bildungs- und Lehrveranstaltungen im Rahmen des Stundenplanes sehr gute Ergebnisse brachten, wie auch Exkursionen zur Ruine Landskron (Raubvögelschau) oder zur ständigen Pilzausstellung und zum Puppenmuseum von Treffen usw.
Faszinierende Momente für alle waren – natürlich– die gemeinsamen Jausen und Imbisse, von den Würsteln von Villach bis zu den Pizzas und Spaghetti von Tarvis, einschließlich Krapfen und anderer Mehlspeisen … Abgesehen von »flüchtigen Momenten« einiger Begegnungen, die auf Videokassette festgehalten wurden, verdient auch das improvisierte Treffen von Schülern einer ersten Volksschulklasse von Villach (Khevenhüller-Schule) mit den zwei ersten Parallelklassen von Tarvis Erwähnung. Es fand anlässlich einer Schulschlussveranstaltung in Tarvis statt, bei der kurze Szenen aus dem Rotkäppchen aufgeführt wurden, das die jeweiligen Lehrer für den Anlass überarbeitet hatten. Den Rahmen bildeten einzeln und gemeinsam vorgeführte Tänze und Gesänge, samt Vorstellung in beiden Sprachen.
Bedeutungsvoll und vielversprechend für eine Freundschaft ohne Grenzen war der gesungene Abschiedsgruß: »Du und ich, ja wir wollen Freunde sein«.
Die Vorgehensweise gilt für alle Klassen, für verschiedene Klassentreffen und andere Anlässe im Schulbereich.
Es werden alle Volksschulen und Kindergärten des Schulbezirks der Partnerländer (Österreich und Slowenien) einbezogen.
Das Kanaltal, eine deutsche Sprachinsel, weist in verschiedener Hinsicht – geschichtlich, anthropologisch, linguistisch, kulturell – besondere Merkmale auf; einer der interessantesten Aspekte ist durch das Vorliegen mehrerer Sprachen der slawischen, deutschen und romanischen Gruppe gegeben.
Die Kindergärten und Volksschulen des Bezirks haben sich an eine wichtige Bildungsaufgabe herangewagt und die frühzeitige Annäherung an die Sprachen des Gebietes in den Lehrplan aufgenommen, um ein reiches Sprach und Kulturgut zu retten, bekannt zu machen und aufzuwerten.
Kanaltal-Valcanale: Der Wallfahrtsort "Luschari"
Der Deutschunterricht, der in diesem Bereich auf eine beachtliche Tradition zurückblickt und auf Betreiben der Familien seit 1940 in verschiedener Weise erteilt wird, erfolgt als Unterricht einer Zweitsprache, zu der die Kinder neben Italienisch, Friaulisch, Slowenisch und lokalen Dialekten Kontakt haben. Dieses Pilotprojekt hat dank der angewandten Methode zu erzieherisch-didaktischen Modellen geführt, die auch auf die anderen Sprachen des Gebietes anwendbar und den Kindern des Kindergartens und der Volksschule angemessen sind.
Projektidee
• Einen flexiblen Lehrplan für deutschsprachigen Unterricht festlegen; die Lehrtätigkeit wird einvernehmlich von den zuständigen Sprachlehrern der Partnerschulen erarbeitet und erfolgt in Vernetzung.
• Auf eine qualitative und quantitative Verbesserung des Unterrichts/Erlernens der deutschen Sprache hinarbeiten.
• Die Übertragbarkeit der erzieherisch-didaktischen Modelle des Projekts auf andere Sprachen und Gegebenheiten prüfen.
• Den sprachlichen Erfordernissen der Schüler entsprechen.
• Innerhalb des Schulnetzes »Sentieri« wirken und die deutsche Sprache als Mittel für den Unterricht und das Erlernen einiger Fächer einsetzen.
• Sich einer europäischen Dimension gegenüber erschließen.
• Erziehungs- und Lehrwege zum Erlernen der deutschen Sprache bieten, die sich mit einer gewissen Kontinuität durch den Kindergarten und die Volksschule ziehen.
• Die beruflichen Fähigkeiten für die frühzeitige sprachliche Unterrichtung von Kindern der Altersstufe von 3 bis7 Jahren im Hinblick auf theoretische, methodologische und didaktische Verbesserung vertiefen.
Erfordernisse,denen das Projekt gerecht wird
Der Deutschunterricht, in Verbindung mit der Tätigkeit der einzelnen Schulen, entspricht in koordinierter Form den Erfordernissen der Kultur, Sprache und Herkunft der Kinder und bietet kontinuierliche Erziehungs- und Lehrwege für das Erlernen der deutschen Sprache dank muttersprachlicher lokaler Fachlehrer mit Lehrbefähigung.
Das Projekt sieht eine Erhöhung des Bildungsangebots auf Antrag der Familien (horizontale Kontinuität) vor, um das Missverhältnis im Stundenplan und die Mängel der methodologisch-didaktischen Annäherung auszugleichen, die sich in den Klassen des ersten Volksschulzyklus gegenüber längeren Zeiten des Deutschkontakts und positiven Erfahrungen mit dem Deutschlernen im Kindergarten gezeigt haben. (Bewertung Wissenschaftlicher Ministerialausschuss – Schulversuch »Lingua Due« 1996-1999)
Ziele
• Förderung und Verbesserung der Sprach- und Kommunikationsfähigkeit in Deutsch
• Förderung der Entwicklung der persönlichen, kulturellen und sozialen Identität
• Förderung und Aufwertung der Sprachen und Kulturen des Gebietes
• Förderung der interkulturellen Kompetenz auch mit den Partnerschulen und in Vernetzung
• Förderung der Interaktion, des Austausches, der Wechselseitigkeit
Spezielle Ziele erster Zyklus – Kindergarten
Es wurden folgende Indikatoren der Sprachbeherrschung festgelegt, mit denen die Kommunikationsfähigkeit durch eine Methode der Annäherung an die deutsche Sprache erreicht wird, die auf andere Sprachen und Gegebenheiten übertragbar ist.
Fähigkeit Hören-Sprechen |
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Lese-Fähigkeit |
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Schreib-Fähigkeit (erster Zyklus) |
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Transversale Fähigkeiten (Felder und Bereiche) |
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Verbindung der Lehrtätigkeit und den in den einzelnen Schulen laufenden Projekten Das Erlernen der deutschen Sprache trägt zum Prozess der Allgemeinbildung bei, da trotz hauptsächlicher Nutzung des Wortes auch andere Ausdrucksmöglichkeiten zum Tragen kommen, weshalb der Sprachunterricht Kulturmittler ist und eine wichtige Rolle beim Knüpfen von Kontakten unter den Schülern spielt.
Die sprachliche Ausbildung verfolgt vier allgemeine Ziele: Selbstverwirklichung, Bildung, Sozialisierung und linguistisch-kulturellen Relativismus. Die ersten drei tragen zur Verwirklichung des Individuums bei, führen in die Kultur anderer Völker ein und üben eine sozialisierende Funktion aus; der linguistisch-kulturelle Relativismus ist in der allgemeinen Ausbildung und dem Volksschul-Lehrprogramm der Sprache transversal, da er Toleranz, Solidarität, Zusammenarbeit, Heranführung an sprachliche und kulturelle Unterschiede, Begegnung mit der hinter der Sprache verborgenen Weltanschauung fördert.
Die gesamte Tätigkeit in deutscher Sprache ist demnach in das Erziehungs- und Lehrprogramm der einzelnen Schulen integriert und mit den aktuellen Projekten des Bildungsangebotes verbunden, die nachstehend angeführt werden:
• Multikulturelles, interkulturelles, plurilinguistisches Projekt
• Theaterprojekt
• Projekt der musikalischen Ausbildung
• Projekt Comenius Aktion 1
• Transnationales Projekt – Partnerschaften mit den österreichischen Schulen
• Umweltprojekt
• Projekt »Sentieri« (Gesetz 482/1999)
Beispielhafte, erfolgreiche Versuche in den Kindergärten
Im Rahmen umfassenderer Versuche des Ministeriums für öffentlichen Unterricht, Abteilung Kindergarten, wurde an verschiedenen italienischen Schulen, demnach auch im Volksschulbezirk von Tarvis, im Schuljahr 1996-97 ein Dreijahresprojekt für den Unterricht der deutschen Sprache als Zweitsprache für Kinder aller Kindergärten des Kanaltals eingeleitet (gestützt auf Art. 278/TU ex D.P.R. 419/74; beteiligt waren 200 Kinder, aufgeteilt auf 6 Einrichtungen und 10 Sektionen). Den Auftrag erhielt ein lokaler Lehrer deutscher Muttersprache (A. Tributsch), der einen wertvollen persönlichen Beitrag zur Festsetzung der methodologisch-didaktischen Ziele des Projekts leistete und die Bestimmung eines Modells für den frühen Unterricht der Zweitsprachen auf nationaler Ebene gestattete.
Dieses Modell ist wegen der weiteren Entwicklung des Unterrichts der deutschen Sprache, vor allem an den Schulen des Kanaltals, von besonderer Bedeutung. Es ist zu hoffen, dass die später eingetretenen finanziellen Einschränkungen nicht ganz die praktische Anwendung des erfolgreichen Lehrversuchs in Frage stellen.
Die vorliegende Abhandlung zur Entwicklung der deutschen Sprache im Kanaltal verdeutlicht nur zum Teil eine prekäre Situation, die dank individueller Bemühungen und moralischer Unterstützung – unabhängig von jedem gesetzlichen Schutz – überwunden werden konnte. Die wenigen anfänglichen Wochenstunden als Freifach und die spätere langsame Reglementierung konnten sicher nicht alleine das Problem der deutschen Volks- und Sprachminderheit im Kanaltal lösen. So entstand in den Siebzigerjahren nach dem Erdbeben von 1976 der Kanaltaler Kulturverein, der seine Tätigkeit seit 1979 betreibt, wobei er auf zahllose Schwierigkeiten und bisweilen auch Verständnislosigkeit stößt. Seine Satzung zielt unter anderem auf die Erarbeitung und Unterstützung von Vorhaben sozialer und kultureller Art und von Informations- und Bildungsprojekten ab, die im Interesse der lokalen Identität und unter Berücksichtigung aller Volks- und Sprachelemente zur Aufwertung und Verbreitung der Kultur und der traditionellen Werte des Kanaltals dienen.
Der Kulturverein verfolgt keine Gewinnzwecke und ist unpolitisch. Er widmet sich größtenteils Aktivitäten für den Schutz des Sprach und Kulturguts des Kanaltales und seiner bodenständigen Bevölkerung deutscher/kärntnerischer Sprache, deren Präsenz im Kanaltal in der Geschichte weit zurückreicht.
Kanaltal-Valcanale: Jugendliche in Tracht
Unter den wichtigsten Initiativen sind unter anderem folgende zu nennen:
1. Deutsche Abendkurse für Jugendliche und Erwachsene
2. Wiederaufgreifen einiger kärntnerischer Gebräuche, auch religiöser Art, wie die Hl. Messe (vor Ostern) oder das Turmblasen (Weihnachtsklänge vom Kirchturm) und die Weihnachtsmesse in deutscher Sprache, da diese Sprache bereits aus fast allen Kirchen des Kanaltals verbannt wurde, ausgenommen aus der Wallfahrtskirche auf dem Monte Lussari, wo in mehreren Sprachen gebetet wird.
3. Die Wiedereinführung der Kanaltaler Tracht nach altem Modell. Heute werden im gesamten Tal wieder über 50 Trachten getragen, neben einem Dutzend Kanaltaler Kindertrachten (Dirndl).
4. Das Kanaltaler Trachtentreffen, eine Trachtenveranstaltung mit den benachbarten Regionen, und seit einigen Jahren ein eigenes »Luscharitreffen« in Lussari, eine Begegnung mit den Kanaltalern in Kärnten, wo die Kulturvereinigung -Kärnten (KKV) entstanden ist.
5. Teilnahme an verschiedenen Trachten und Kulturveranstaltungen, Kongressen und Tagungen von Volksgruppen in Kärnten, der Steiermark und Wien, doch auch in Italien – Tarcento, Cividale, Triest usw., in den deutschen Sprachinseln Norditaliens, mit denen der Kulturverein – nun als Mitglied des neu gegründeten Dachverbandes, der seinen Sitz in Lusérn/Trient hat – engste Kontakte pflegt.
Nach verschiedenen Gesetzesanträgen zum Schutz der Sprachminderheiten in Italien, mit indirekten und direkten Maßnahmen in Triest und Rom, wird nun auch das Kanaltal durch das Gesetz Nr. 482/99 geschützt und ausdrücklich im Gesetz vom 23. Februar 2001, Nr. 38 erwähnt: Bestimmungen zum Schutz der slowenischen Sprachminderheit der Region Friaul-Julisch Venetien, Art. 5, Schutz der deutschsprachigen Bevölkerungsteile des Kanaltals »Im Rahmen der Bestimmungen des Gesetzes vom 15. Dezember 1999, Nr. 482, und der Grundsätze des vorliegenden Gesetzes werden den deutschsprachigen Bevölkerungsteilen (popolazioni germanofone) des Kanaltals unter Berücksichtigung der Viersprachigkeit der Gegend, ohne neue oder größere Belastungen für die Staatsbilanz, besondere Formen des Schutzes zugesichert«. Abgesehen vom italienischen Ausdruck »germanofono« (der für das Kanaltal unglücklich gewählt ist, da die historische Präsenz der bodenständigen Bevölkerung kärntnerisch-deutschen Ursprungs unbestritten ist), hat die Schlussbestimmung des Art. 5 einige Maßnahmen des Kulturvereins bereits in Frage gestellt, da das Problem der finanziellen Mittel offen geblieben ist. Diese können zum Beispiel für die deutschsprachigen Gemeinschaften des Kanaltals nicht erhöht werden, da eben das genannte Gesetz Nr. 38/2001 zwar eine spezielle Garantie sichert, aber gleichzeitig besagt, dass die Formen des Schutzes »ohne neue oder größere Belastungen für die Staatsbilanz« zu sichern sind.
Die Tätigkeit des Kulturvereins erfolgte in den letzten Jahren großteils dank der Regionalbeiträge gemäß Regionalgesetz 4/1999, Art. 6 Abs. 40, 41 und 43 zur Unterstützung der bereits allgemein »deutschsprachig« (germanofone) genannten Gemeinschaften, wie auch der beiden deutschen Sprachinseln Tischlbong (Timau) und Zahre (Sauris).
Für das als viersprachig offiziell anerkannte Kanaltal wird die praktische Anwendung des Gesetzes 482 schwierig sein, wie bereits die Organisation der mehrsprachigen Büroschalter beweist. Viel wird jedenfalls von der Vernunft der verantwortlichen Gemeindeverwalter bei der Berücksichtigung historischer Gegebenheiten, wie etwa der Ortsnamen, abhängen. Abgesehen jedoch von einer Anwendung der Schutzbestimmungen aus bloßen Gründen des Images, das mit der Präsenz lokaler Sprachgemeinschaften einhergeht, ist nach wie vor der persönliche Einsatz von Einzelnen zum Schutz der Identität, Sprache und Kultur erforderlich, was vor allem für den privaten Bereich, d.h. für die einzelnen Familien gilt, die allzu oft den Gebrauch der Muttersprache, des Dialekts usw. vernachlässigen. Auch im Kanaltal wird heute immer weniger der Kärntner Dialekt/Windisch gesprochen und es dominiert bereits, wie in allen Sprachinseln, das Italienische. Dasselbe gilt für die Slowenen und Friauler. Das mehr im Handelsbereich gebrauchte Schriftdeutsch wird so gut wie von der gesamten Bevölkerung des Kanaltals beherrscht. Es hat in allen Schulen Eingang gefunden, auch wenn es leider nur, wie zuvor erwähnt, als Fremdsprache neben dem Englischen unterrichtet wird. Die Bedeutung der Schule ist jedoch nicht zu unterschätzen, im Gegenteil: Die verschiedenen offiziellen Finanzierungen zur Subventionierung der Aktivitäten der einzelnen Sprachgemeinschaften können alleine das Problem einer unvermeidlichen oder gewollten Integration und Assimilierung nicht lösen.
So muss etwas zur Rettung der deutsch-kärntnerischen Gemeinschaft des Kanaltals, wie auch aller anderen historischen deutschen Sprachinseln Norditaliens, geschehen, vor allem in Bezug auf die volklich-linguistischen Besonderheiten, die in verschiedenen nationalen und regionalen Gesetzen – nicht zuletzt zur Rechtfertigung und zu Gunsten der sogenannten autonomen Regionen – häufig erwähnt werden.
Es bleibt jedenfalls noch sehr, sehr viel für uns alle, als Einzelne und als Sprachgemeinschaft, zu tun.